Sternstunden wahrnehmen
Was macht eigentlich eine Sternstunde zu einer Sternstunde?
Es ist ein besonderer Moment in der Geschichte eines Menschen oder der Menschheit insgesamt.
Die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt führt mich zu Meister Eckhart, dem thüringischen Dominikaner, Philosophen und Theologen, der im Spätmittelalter lebte (1260 – 1328). Von ihm ist der Spruch sinngemäß überliefert:
„Der wichtigste Augenblick im Leben ist der jetzige.
Der wichtigste Mensch im Leben ist der, mit dem du es gerade zu tun hast.
Das wichtigste Werk im Leben ist die Liebe.“
Aus dieser Haltung können Sternstunden entstehen.
Fragen zu persönlichen Sternstunden
Und wenn wir über unsere eigenen Sternstundennachdenken:
- Wie war es da jeweils für dich?
- Welche Zeiten in deinem Leben würdest du als Sternstunden bezeichnen?
- Besondere Glücksmomente?
- Augenblicke, in denen du Erfolge erleben durftest?
- Berührende Begegnungen?
- Epochale Ereignisse?
- Momente der erfüllten Stille?
- Was hat es ausgemacht, dass das Sternstunden für dich waren?
- Waren alle geplant? So wie offensichtliche Sternstunden z.B. die Hochzeit oder die Geburt der Kinder?
Meine sehr persönliche Sternstunde
Eine meiner persönlichen Sternstunden habe 2019 ich bei einer Solo-Überquerung des Toten Gebirges im Sommer (auf der Schitourenstrecke, von der mir viele Abgeraten haben) ganz alleine von Bad Mitterndorf Bahnhof über das Hochplateau nach Hinterstoder erlebt. Seit langem war das ein Tag, an dem ich 24 Stunden lang keinen Menschen getroffen hatte, ganz alleine war.
Beeindruckende schroffe Bergformationen, blühendes Grün, eine Quelle unterhalb des Großen Tragl, die mich mit frischem Wasser versorgt hat. Hohe Anstrengung nach 14 Stunden Wanderung an dem Tag, weil ich wie immer zu viel Gepäck mitgenommen und unfreiwillig aufgrund einer Unachtsamkeit in der Orientierung einen Umweg genommen hatte. Fix und fertig bin ich eingeschlafen an dem Tag. Als ich vom Harndrang getrieben in der Nacht im Schatten der Spitzmauer aus meinem Zelt herausgetreten bin, in eine sternenklare Nacht, da waren kaum Lichtverschmutzung und vor allem keine Geräusche, kein Tier, kein herabfallender Felsbrocken, kein Mensch. Ich kann mich nicht erinnern in einem anderen Moment meines Lebens eine derartig erfüllte Stille erlebt zu haben.
Wie lange ich dort staunend und tief berührt gestanden bin, kann ich nicht mehr sagen.
Im Geschenk der Situation habe ich den Blick nach oben zu den Sternen gerichtet, meine Winzigkeit als Mensch verspürt und gleichzeitig die Größe der Schöpfung und gefühlt minutenlange einfach nur wahrgenommen, dass ich darin eingebettet bin – die Kühle der Luft, die Windstille, das Schlagen meines eigenen Herzens und ich habe eine unendliche Dankbarkeit verspürt, dass ich sein darf, als Mensch.
Als ältestes überlebendes Kind meiner Eltern, weil deren erstes Kind nicht lebend geboren werden konnte. Vielleicht wäre ich gar nicht zur Welt gekommen, wenn mein etwas mehr als ein Jahr älterer Bruder lebend geboren wäre – wer weiß das schon. Aber ich stehe heute Morgen hier vor euch.
In diesem Moment habe ich Gottes „Ich bin da. Ich bin bei dir in jeder Stunde deines Lebens. Ich setze auf dich“ gespürt.
So fühle ich mich auch heute immer wieder in den Dienst gerufen als Bote von Gottes Liebe und Barmherzigkeit. Gott schreibt eine einzigartige Geschichte mit jedem/jeder einzelnen von uns und gibt uns immer wieder Zeichen seiner Gegenwart – wir müssen sie nur spüren wollen.
Manchmal sind es die leisen Ereignisse
Warum ich das erzähle? Es sind nicht immer die gewaltigen Erlebnisse, manchmal sind es ganz leise Ereignisse, die für uns zu Sternstunden werden.
Ungeplant, unverhofft und so beeindruckend, dass wir sie unser Leben lang wieder in Erinnerung rufen können.
Sternstunden wahrnehmen, das lässt mich eine Achtsamkeit an den Tag legen.
In den kommenden sieben Tagen will ich wachsam und hellhörig, aufmerksam und achtsam sein, um die spürbaren Berührungen Gottes in meinem Leben bewusst wahrzunehmen.
Und jeden Tag am Abend, will ich schweigen und nachdenken darüber, was mich an diesem Tag zur Dankbarkeit führt.
Die lauten und die leisen Sternstunden in meinem Lebensalltag benennen und mit Menschen, die mir wichtig sind austauschen.
Uns allen wünsche ich einen guten Einstieg in die Adventszeit!
Bild: Min An, pexels.com